Nordseite der Kapelle mit Maßwerkfenstern Foto: Ilja Claus

Nordseite der Kapelle mit Maßwerkfenstern
Foto: Ilja Claus

Nordseite der Kapelle mit Maßwerkfenstern
Foto: Ilja Claus

Die Krankenhauskapelle in der Magdeburger Straße – Ein gefährdetes Kleinod der Gründerzeit

Autoren: Julia Blei und Ilja Claus
?Erstveröffentlichung im Kulturfalter, Ausgabe April 2018

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Auf dem Gelände des ehemaligen Universitätsklinikums Halle in der Magdeburger Straße befindet sich, für viele Hallenser unbekannt, eine heute entweihte Krankenhauskapelle. Sie steht damit in einer Reihe mit den anderen so genannten „Anstaltskirchen“, welche um diese Zeit unter anderem in der Landesheil- und Irrenanstalt Nietleben und im
Diakoniekrankenhaus entstanden sind.

Der Bauplaner der Kapelle, Ludwig Alexander Erdmann von Tiedemann (1841-1909), entwarf bereits viele der Institutshäuser des Krankenhauskomplexes, bevor er 1878 erste Entwürfe für den Bau einer Kapelle vorlegte. Gebaut und eingeweiht wurde das Gotteshaus dann in den Jahren 1882/83. Trotz des zu diesem Zeitpunkt bereits sehr begrenzten Bauplatzes sollte die Kapelle ihrem Status nach zentral im Komplex liegen. In den Bauplänen von Tiedemanns ist zu erkennen, dass er die Mittelachse der Medizinischen und der Chirurgischen Klinik nahm und die Kapelle zwischen die Erweiterungsbauten dieser beiden Kliniken setzte. Man ging bei der Planung davon aus, dass die Kapelle nicht mehr als 100 Besucher pro Gottesdienst aufnehmen müsse und so entschied sich von Tiedemann für eine kleine, quadratische Variante, mit den Raummaßen von circa zehn mal zehn Metern. Im Osten und Westen der Kapelle befinden sich jeweils polygonale Vorbauten mit einem wiederum mittig angefügten, kleineren, quadratischen Vorbau.

Die Grundmauern der Kapelle bestehen aus Bruchsteinen. Das darauf aufgehende Mauerwerk besteht aus Ziegel, Terrakotten und Rohbau mit Verblendsteinen. Alle Türen und Fenster der Kapelle sind durch abwechselnd gelbe und dunkelrote Ziegel gerahmt. Der polygonale Anbau im Osten ist durch den vielfach größeren quadratischen Anbau viel wuchtiger als der kleine Vorbau der Sakristei im Westen.

Im Innenbereich der Kapelle befinden sich im östlichen polygonalen Vorbau an den sich gegenüber liegenden Seiten zwei Eingangstüren. In dem quadratischen Anbau führt eine gusseiserne Wendeltreppe nach oben zur Orgelempore. Im Osten ist ein Triumphbogen oben zum Orgelbereich hin geöffnet und im unteren Bereich trennt eine Flügeltür aus Holz den Gemeinderaum vom Vorraum. Im Westen ist der polygonale Vorbau über einen hohen, unverzierten Triumphbogen komplett geöffnet und gibt den Blick auf den Chor frei. Unter dem Triumphbogen befand sich einst der Altar. Der Deckenabschnitt im Chor wird über zwei Rippen in drei gleichmäßige Dreiecke geteilt. Die darunter liegenden Wandabschnitte des polygonalen Anbaus werden von jeweils drei spitzbogigen Maßwerkfenstern untergliedert. Die Fenster des Chores sind, wie alle Fenster der Kapelle, aus Bleiglas gefertigt. 

Die Nord- und Südwände der Kapelle werden von drei großen Maßwerkfenstern gegliedert.  Von außen ist sichtbar, dass immer zwei schmale Fenster von einer kleinen Fensterrose bekrönt und einem Spitzbogen umfasst werden. Diese Elemente werden wiederum von einer größeren Fensterrose bekrönt und das Ganze von einem Spitzbogen eingefasst. Das mittlere Fenster wird zusätzlich mit einer großen Fensterrose abgeschlossen, die im Durchmesser die Breite des darunter liegenden Bogens aufweist. Diese wird auch von einem hohen Spitzbogen eingerahmt. Auf beiden Seiten der Kapelle ist die gleiche Wandgliederung vorhanden. Diese ist jedoch nur von außen zu sehen. Im Innenbereich befinden sich die großen Fensterrosen bereits im Dachbereich. Nur bei diesem Gebäudeentwurf seiner hallischen Bauten griff von Tiedemann auf gestalterische Elemente aus der Gotik zurück, da diese für ihn den typischen Charakter eines kirchlichen Baus am ehesten zu transportieren vermochten. Der Fußboden im Gemeinderaum weist noch den originalen Tonplattenbelag auf. Die hellen und dunklen Platten im Mittelgang zeigen ein noch fast vollständig erhaltenes Muster aus kreuzförmigen Symbolen, die im Chorbereich in einem größeren, stärker verzierten Kreuzmuster enden.

Die Krankenhauskapelle wurde wahrscheinlich nach dem Zweiten Weltkrieg entweiht und seit Jahrzehnten nicht mehr als Andachtsraum genutzt. Bauliche Instandhaltungsmaßnahmen sind seitdem fast vollständig ausgeblieben. In der Folge ist der rein optische, aber auch der bauliche Zustand der Kapelle allgemein als kritisch zu bezeichnen. Heute ist der Innenraum vollständig leergeräumt. Er wird von einer Reihe von Gerüsten und drei Schwerlastträgern bestimmt, welche die Last des Dachstuhls abfangen und so dessen Einsturz verhindern. Der Altar muss in den letzten 20 Jahren aus der Kapelle verschwunden sein, Angela Dolgner, die die Kapelle im Rahmen ihrer 1996 erschienenen Dissertation zu den Universitätsbauten des 19. Jahrhunderts in Halle untersuchte, fand ihn noch vor. Zu den beiden Seiten des Mittelganges haben einst schlichte, heute verschollene, Holzbänke den Gläubigen Platz geboten. Auch war die Saaldecke laut Dolgner in den 90ern noch mit Holzkassetten versehen. An die Orgel erinnert nur noch ein Bretter- und Tastenhaufen. Im Gerümpel befindliche alte Notenbücher und ein Orgelschlüssel erinnern an die einstige Nutzung. Die Bleiglasfenster zeigen sich dem Besucher verdreckt, teilweise eingebrochen, doch die dezenten Farbtöne sind noch immer erkennbar.

Im aktuellen Zustand ist die Kapelle in keiner Weise nutzbar und darf nur mit besonderer Genehmigung betreten werden. Sollten Dach und Dachstuhl auch weiterhin nicht erneuert werden, ist mittelfristig der Erhalt dieses Kleinods auf dem Klinikgelände nicht gesichert.

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Detail der polygonalen Westapsis Foto: Ilja Claus

Detail der polygonalen Westapsis
Foto: Ilja Claus

Detail der polygonalen Westapsis
Foto: Ilja Claus